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Raus aus der Sucht

Oft geht es einen Schritt vor und zwei zurück. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einige dieser Gründe möchte ich hier an den Anfang stellen.

  1. Wenn jemand seine Alkoholabhängigkeit überwinden will, heißt dies, dass er seit mehreren Jahren viel Alkohol trinkt. Zehn bis zwanzig Jahre schwersten Alkoholmissbrauchs sind keine Seltenheit. Können wir, allein von dieser Zeitspanne her betrachtet, erwarten, dass es eine leichte Umstellung sein wird? Der Alkohol ist für diesen Menschen allmählich zu einer ganz wichtigen Sache geworden. Er beherrscht Gedanken und Fantasien, wirkt bis hinein in die Träume. Viele Gewohnheiten gruppieren sich um ihn. Jetzt soll der Alkohol plötzlich wegfallen?
  2. Wir sprechen davon, dass die Alkoholkrankheit den ganzen Menschen erfasse. Ihre Ursachen und Folgen können im körperlichen, im psychischen wie auch im zwischenmenschlichen Bereich liegen. Der Alkohol ist körperlich oft schwer geschädigt, in psychischer Hinsicht verunsichert und auch in seinen sozialen Beziehungen erheblich beeinträchtigt. Sein Wundermittel, mit dem er jahrelang gegen alle Widrigkeiten kämpfte, ist der Alkohol. Auf den soll er jetzt verzichten? Auf einmal soll er alle Probleme mit fester Hand anpacken können?
  3. Nicht selten haben durch den Alkoholmissbrauch Denk- und Urteilsfähigkeit gelitten, was auf eine mehr oder weniger ausgeprägte Schädigung des Gehirns zurückzuführen ist. Viele Alkoholkranken ist es zunächst nicht mehr möglich, einen klaren Gedanken zu fassen, ihre Situation kritisch zu beurteilen, einen Vorsatz zu bilden, bei diesen Vorsatz zu bleiben und Schritt für Schritt eine ??nderung herbeizuführen. Sie leben wie in einem Nebel, durch den die Realität nur gelegentlich hindurchschimmert. Irgendwann dämmert die Erkenntnis: Eigentlich müsste ich etwas tun!

    Morgens z. B., wenn die euphorische Wirkung des Alkohols nachgelassen hat und die Jammerseite überwiegt: Brechreiz, zitternde Hände, Angstgefühle ... Oder die direkte Frage eines Kindes: "Papa, warum trinkst du so viel?", trifft in einem klaren Augenblick. Meistens kommt dabei zunächst nicht viel mehr heraus als Schuldgefühle, Selbstmitleid und erneutes Trinken.
  4. Aus der Abhängigkeit ist auch deshalb nicht leicht herauszukommen, weil sie fest in den Grundeinstellungen des Betreffenden Menschen verankert ist. Gemeint sind Einstellungen wie z. B.
    • Ich bin als Mann oder Frau völlig wertlos
    • Ich bin ein Versager
    • Es lohnt sich gar nicht, dass ich mich anstrenge
    • Ich bin nicht in der Lage, mein Leben selbst zu steuern
    • Ich fühle mich nur wohl, wenn ich mich selbst verwöhnen kann
    • Ich brauche immer etwas, was mir Kraft gibt
    • Ich bin zu schwach, um die Wirklichkeit auszuhalten
  5. Immer stellt sich die Frage nach der Funktion des Suchtverhaltens oder nach dessen Sinn. Alkoholabhängigkeit lässt sich als eine verzweifelte Glückssuche auffassen - oder als ein fröhlicher Selbstmord, ganz wie man will. Das Trinken aufgeben?
    • Wozu das alles?
    • Gibt es irgendwas, für das zu leben sich lohnen könnte?
    • Die ganze Schinderei: wem zuliebe?
    Nicht selten geht derjenige, der aus seiner Sucht herauskommen möchte, durch eine tiefe Verzweiflung hindurch, bis er den Mut findet, sich nüchtern zu sehen und neu anzufachen.
  6. An jeder Ecke wird Alkohol angepriesen. Dem völlig auszuweichen ist unmöglich. Deshalb muss der Alkoholkranke damit rechnen, immer wieder in Versuchung zu kommen.
  7. Hart wir es vor allen Dingen deshalb für ihn, weil er nicht mehr mäßig trinken kann und darum keinen Tropfen Alkohol mehr trinken darf. Dies einzusehen, fällt ihm selber und auch seiner Umgebung schwer: Natürlich darfst du nicht mehr so viel trinken wie früher! Aber ein Gläschen in Ehren?
  8. Zu rechnen ist mit Fallstricken und Erinnerung. Unangenehmes wird schnell vergessen. War es nicht doch schön?
  9. Jeder Alkoholabhängige wehrt sich zunächst gegen das Eingeständnis seiner Krankheit. Er fühlt sich abgestempelt und in einer Außenseiterposition abgeschoben. Er, der eben noch ein ganzer Kerl war, soll nun als Abhängiger gelten? Muss er nicht zunächst annehmen, dass er nun von seiner Umgebung als schwächlicher Versager eingestuft wird? Das macht Angst, und er schämt sich. Da er um keinen Preis auffallen will, überlegt er, wie er sein Problem tarnen kann.

    So wie er zunächst sein Trinken verheimlicht hatte, versucht er später, nachdem er sich zur Abstinenz entschlossen hat, sein Nichttrinken zu verbergen. Möglichst die ganze Sache geheim halten, nicht auffallen! Zum Beispiel Apfelsaft in einem Weinglas trinken, so dass die andern meinen, er trinkt Weißwein; oder Cola-Mix im Bierkrug ...

    Die negative Reaktion der Umwelt und die Scheu des Betroffenen, sein Gesicht zu verlieren, sind schwere Hindernisse. Ein Alkoholtrinker kommt nicht selten in eine Zwickmühle: Trinkt er wieder, ist er ein Säufer - und man hat ja gleich gewusst, dass er es nicht schafft, labil wie er ist! Trinkt er nicht mehr, gilt er als langweiliger Abstinenzler, als Spielverderber.

    An dieser Stelle ist zu fragen, ob die Mitmenschen wirklich überwiegend so unvernünftig reagieren. Vermutlich nicht. Viele werden den Fortschritt zu schätzen wissen. Aber in den Köpfen der Betroffenen sind diese Befürchtungen sehr mächtig. Dies kommt sicher daher, dass sie sich selbst noch nach den Maßstäben beurteilen, die sie in ihrer Trinkerzeit mit ihren Kameraden geteilt haben: Sie sehen sich selbst mit den spöttischen Augen ihrer Zechbrüder.

    Wenn ein Alkoholiker aufhöre, Alkohol zu trinken, verzichtet er nicht nur auf eine lieb gewordene Gewohnheit: Er definiert sich selbst neu in Beziehung zu seinen Mitmenschen. Seine Rolle ändert sich. Auch verändert sich die Bezugsperson: Menschen, die vorher für ihn wichtig waren ( z. B. seine Kameraden), werden jetzt ihren Einfluss verlieren. Andere Menschen treten in den Vordergrund.

    Dieser Wechsel der Gruppenzugehörigkeit und der Rolle kann Befürchtungen erwecken:
    • Wie werde ich gesehen, wenn ich keinen Alkohol mehr trinken?
    • Werde ich ausgelacht?
    • Bin ich noch ein richtiger Mann?
    • Oder bin ich ein Schulbub, der seine Limonade bestellt?
    • Ich, ein Kerl aus Granit, soll ein braver Jung werden? Der Frau das Händchen halten und erbauliche Sprüche lauschen?
  10. Wenn der Alkohol insbesondere ein Mittel ist, um sich Negatives sanft vom Leibe zu halten und Positives erträumen zu können, ein Mittel jedenfalls, das die Realität vernebelt und erträglicher macht, dann ist der Weg aus der Abhängigkeit einer Landung auf steinigem Boden zu vergleichen.

    Es kann hart sein, Schmerz, Ärger, Widrigkeiten zu ertragen, die Nichterfüllung von Träumen und Sehnsüchten auszuhalten.
     
    Die Aufzählung dieser Hindernissen sollte auf keinen Fall mutlos machen; sie sollte im Gegenteil Verständnis auch für die Rückschläge wecken. Wenn wir wissen, wie schwierig es ist und worin die Hindernisse bestehen, verfallen wir auch nicht so schnell der Resignation.

    Es ist zu schaffen. Der Weg erfordert Mut.

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