Wenn die Eltern trinken
Beim Alkohol ist alles anders: Wer trinkt, gilt als normal, wer der flüssigen Droge entsagt, als Sonderling. Und das, obwohl nach Schätzungen etwa
2,5 Millionen Bundesbürger behandlungsbedürftige Alkoholiker sind – darunter auch viele Väter und Mütter. Sie leiden unter der Sucht – und ihre Kinder leiden mit.
Alkoholismus ist eine anerkannte Krankheit. Zwar kann sich ein Alkoholiker auf Krankenschein behandeln lassen. Doch wenn aus dem netten Trinker von nebenan ein Fall für die Klinik wird, verachtet ihn seine Umwelt.
Alkoholkonsum ist akzeptiert,
Alkoholismus dagegen ein Tabu.
Und über ein Tabu wird nicht gesprochen.
Alkoholismus ist auch ein gut gehütetes Geheimnis, oft genug ein Familiengeheimnis. Tag für Tag spielen sich hinter verschlossenen Türen die gleichen Szenen ab: Der betrunkene Vater missachtet oder misshandelt Frau und Kinder, verliert erst seinen Führerschein, später seine Arbeit.
Die Ehefrau versucht zu retten, was zu retten ist – kümmert sich um die Kinder, den Haushalt und den alkoholabhängigen Mann. Oder anders herum: Die Mutter trinkt, vernachlässigt ihre Kinder, den Haushalt und sich selbst. Und dann kümmert sich der Ehemann mehr und mehr um den Haushalt, die Kinder und seine Frau.
Alkoholismus ist eine Familienkrankheit, denn jeder Abhängige beeinflusst durch seine Sucht die Familie. Vier bis fünf Millionen Angehörige wohnen in der Bundesrepublik mit einem Süchtigen zusammen. Opfer sind die Kinder. Sie müssen alles aushalten und leiden still vor sich hin.
Kinder aus Suchtfamilien haben nie ein normales Familienleben kennengelernt. Für diese Kinder ist es normal, den Vater aus der Kneipe zu holen. Es ist normal, dass er die Mutter schlägt und am nächsten Tag so tut, als sei nichts geschehen. Oder es ist normal, wenn die Mutter betrunken auf dem Sofa liegt und den Tag im Bett verbringt. Es ist normal sich zu schämen und sich gedemütigt zu fühlen.
Kinder aus Suchtfamilien sind von klein auf verunsichert, denn sie können nie abschätzen, wie sich der suchtkranke Mensch verhält. Ein Kind weiß nie, was in der nächsten Stunde passiert und ist immer auf der Hut vor den Erwachsenen. Es kann nicht verstehen, warum sich ein Mensch so unterschiedlich präsentieren kann. Und niemand hilft ihm, seine verworrenen Gefühle zu entwirren. Im Gegenteil: Diese Kinder sind ihren Eltern völlig ausgeliefert – Eltern, deren Geist vom Alkohol vernebelt ist, und deren Stimmung von einem Moment zum anderen umspringen kann.
Kinder aus Alkoholikerfamilien entsprechen meist nicht der landläufigen Vorstellung vom „verwahrlosten Kind.“ Oft sind sie unauffällig oder sogar besonders erfolgreich. Sie wirken meistens „zu reif“ für ihr Lebensalter. Kein Wunder, denn häufig müssen sie Rollen übernehmen, die ihre Eltern nicht mehr ausfüllen können. Kinder, die mit acht Jahren den Haushalt schmeißen, sind keine Ausnahme. Das Leben ist für sie launenhaft und chaotisch, und sie haben kaum Chancen, einfach nur Kind zu sein. Sie schützen ihre Eltern, anstatt auf deren Schutz vertrauen zu können. Sie fühlen, dass etwas nicht stimmt, doch die Eltern sagen: „Hier ist alles in Ordnung. Untersteh dich, irgend jemandem davon zu erzählen.“ So soll der Schein einer intakten Familie nach außen gewahrt bleiben.
Lügen, Ausreden, Entschuldigungen und Geheimniskrämerei sind in diesen Häusern an der Tagesordnung, und sie bewirken bei den Kindern ein ungeheures emotionales Durcheinander. Rede nicht! Traue nicht! Fühle nicht! Das sind Botschaften an Kinder aus alkoholsüchtigen Familien.
Die Fassade der „normalen Familie“: eine gelogene Fassade, die mit allen Mitteln aufrecht erhalten werden soll. „Papa trinkt nicht, er ist nur über den Teppich gestolpert“ oder „Mutter trinkt nur, um sich zu entspannen“ oder „sei nicht so frech, sonst muss Papa gegen seinen Ärger wieder einen Schnaps trinken!“ Dieses Lügengebäude ist für ein Kind besonders schädlich, weil es seinen eigenen Gefühlen und Wahrnehmungen nicht trauen darf. So kann ein Kind kein gesundes Selbstvertrauen entwickeln. Es bedarf einer ungeheuren Energie, um diese Fassade aufrechtzuerhalten. Das Kind lebt ständig in der Furcht, unabsichtlich etwas zu verraten und seine Familie bloßzustellen. Um das zu verhindern, meiden diese Kinder oft Freunde, sind dadurch isoliert und einsam.
Kinder aus Suchtfamilien haben als Erwachsene oftmals Schwierigkeiten, eine vertrauensvolle Beziehung zu führen. Sie haben früh erfahren, dass ihre Eltern, die sie lieben, ihnen weh tun und schrecklich unberechenbar sein können. Die Folge: Sie haben große Angst, anderen Menschen zu nahe zu kommen. Deshalb fühlen sie sich häufig von Menschen angezogen, die aufgrund eigener Konflikte emotional nicht zu erreichen sind. Oder sie heiraten einen süchtigen Partner. Immer wieder suchen sie unbewusst, was sie schon früh gelernt haben: eine verzerrte Form von Liebe.
Es ist erstaunlich, dass Menschen, die im Chaos alkoholsüchtiger Familien groß wurden, dieses Trauma noch einmal erleben wollen. Aber das Bedürfnis, eine vertraute Gefühlslage wieder zu finden, ist allen Menschen gemein – egal wie schmerzlich oder selbsterniedrigend es auch sein mag. Das Vertraute schafft ein Gefühl von Sicherheit und gibt dem Leben eine Struktur. Wir kennen die Regeln und wissen, was wir erwarten können. Diese Wiederholungen alter, schmerzlicher Erfahrungen beeinflussen das Leben.
Obwohl sich die meisten Kinder aus Suchtfamilien schwören, nie mehr mit einem Alkoholiker etwas zu tun haben zu wollen, gleiten viele in ähnliche Beziehungen oder greifen selbst zur Flasche. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen werden 30 Prozent der Kinder von Alkoholikern selbst alkohol- oder drogenabhängig. Das Risiko ist im Vergleich zu Kindern aus unbelasteten Familien um etwa das Sechsfache erhöht.
Viele „ erwachsene Kinder“ aus Suchtfamilien vermeiden oft ein Leben lang, sich ihrer Wunden bewusst zu werden. Doch wenn man sich Klarheit über sich selbst und über die eigene Geschichte verschafft, sind die Chancen gut, sich von den Wunden der Kindheit zu erholen.
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